Schon als Kind war ich mit unserer Kirche sehr vertraut. Wenn am Sonntagmorgen die Glocken läuteten, mussten wir an einer bestimmten Stelle des Weges angekommen sein, um rechtzeitig zum Gottesdienst zu erscheinen. In der Kirche bog mein Großvater dann gleich nach links in die Bankreichen ab, während meine Mutter ihre Blilcke auf die gegenüberliegende Seite richtete. Dort saßen nur die Frauen, und zwar immer dieselben auf den selben Plätzen. Auf meine Frage, warum wir jedesmal woanders saßen, zeigte meine Mutter auf die Namenschilder in den Bänken: Jede Familie hatte ihren eigenen Platz. Unseren Namen fand ich aber nirgends. Das erschien mir damals sehr ungerecht. Heute weiß ich, dass dies ein Teil der Geschichte unserer wunderschönen Kirche und ihrer Bedeutung für die Stellichter Einwohner ist.
Diese mussten ursprünglich nach Walsrode zum Gottesdienst fahren und auch persönliche Feiern (Taufe, Trauung, Trauerfeier) in Walsrode abhalten, da die Stellichter Kirche nur für den Privatgebrauch der Gutsbesitherfamilie gebaut worden war. Sie musste auch lt. Erbverträgen für den Erhalt der Kirche aufkommen. Da dies mit der Zeit sehr teuer wurde, beantragte 1754 der damalige Gutsherr die Beilegung der Gemeinde Stellichte zu seiner Gutskirche. Das wurde, wenn auch ungern, von Walsrode bewilligt, denn nun flossen die Gelder für die kirchlichen Handlungen in die Kasse des Gutsherren, und jedes Gemeindemitglied konnte sich einen Platz in der Kirche erkaufen (Weinkauf), der dann mit seinem Namensschild gekennzeichnet wurde.
Da wir erst 1945 nach Stellichte kamen, war unser Name niemals an den Bänken zu finden, denn zu der Zeit war der Brauch längst überholt. Wir waren aber jederzeit herzlich willkommen, was auch heute für jeden gilt, der unsere schöne Kirche besuchen möchte.
Gisela Worthmann, Kirchenführerin in Stellichte